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Abschied von Michael Anker

Am 13.10.2020 erlag unser langjähriges QR-Mitglied und Sprecher Michael Anker seiner Krebserkrankung. Er hinterlässt nicht zuletzt in der Quartiersarbeit eine große Lücke. Wir werden ihn und sein ganz besonderes Engagement für den Richardkiez sehr vermissen.

Unsere Gedanken sind bei seiner Frau und seiner Tochter.

Hier ein Link zu einem Portrait von Michael, das wir vor ein paar Jahren auf unserer Webseite veröffentlicht haben. Wir finden, dass dieses gut wiedergibt was für ein besonderer Mensch er war.

 

Streitbarer, aber engagierter Zeitgenosse

Wer in Neukölln lebt, hatte möglicherweise schon die eine oder andere denkwürdige Begegnung mit ihm: Michael Anker tanzt auf vielen Hochzeiten, eckt an und hat als Querkopf viel erlebt. Mittlerweile ist er 60 Jahre alt und hat einen reichen Schatz an Erfahrungen, denn er war gut unterwegs und teilt dies auch gern mit.

Manchmal, so scheint es, gilt für ihn insbesondere der Spruch: Reibung erzeugt Wärme, eine Wärme, wie er sie früh schon selbst suchen musste. Mit sieben Jahren starb seine Mutter, er stellte den „lieben Gott“ in Frage, wie er vieles in Frage stellte und entdeckte u. a. mit Karl Marx einen Analytiker der Gesellschaft, dessen Argumente er nur allzu gut nachvollziehen konnte. In der Oberschule wird er politischer und schon früh lebt er nun seine Leidenschaft für Bücher und fürs Reden aus - und kämpft um Anerkennung, sei es als Schülervertreter oder als Sozialist für das große Ganze. In den 1970er Jahren vertritt er Ansichten, die sich unter den sogenannten Radikalenerlass fassen lassen. Anstatt in seinem Ausbildungsberuf zu verweilen, landet er als Wessi bei der Berliner S-Bahn, die in dieser Zeit von der in der DDR befindlichen Deutschen Reichsbahn betrieben wurde und für ganz Berlin zuständig war. Aufgrund finanzieller Engpässe kam es dort Ende der 1970er zu Kündigungen. Es kam zum Streik und Michael Anker engagierte sich in der Streikleitung. Erst war er den Job los, dann auch den Rückhalt seiner Gesinnungsfreunde: „Auf einmal waren meine Genossinnen und Genossen keine Genossen mehr“!

 

Charlottenburger Spezialausbildung und Neuköllner Anwendung

 

Zeitgleich hatten sich in West-Berlin schon seit Mitte der 1970er Jahre Bewohner-*innen gegen die Kahlschlagsanierung des Senats gewehrt, gegen den systema-tischen Abriss von Altbauten und gegen Mietsteigerungen durch Luxus-renovierungen. „Viel von dem, was wir heute diskutieren, kommt einem schon verdammt bekannt vor“, kommentiert Anker die damalige Zeit, in der er erstmals Kontakt zu Stadtteilinitiativen hatte und viel über Stadtplanung, Baurecht und das Organisieren von Menschen lernt. „Also was ich in Charlottenburg in der Umgebung rund um die Sophie-Charlotte-Straße kennenlernen durfte, das konnte ich im Neuköllner Kiez anwenden, sei es im Sanierungsuntersuchungsgebiet in der Hertzbergstraße oder eben mit dem Projekt Comenius Garten.“ Längst macht er auch Parteipolitik, 1990 hat er den Bezirksverband der PDS in Neukölln mitgegründet und war zwischen 1999 und 2006 Bezirksverordneter. Die Linke ist seine politische Heimat, aber auch wenn hier manche politische Gegnerschaft überwunden wurde, so bekam er es nun mit einem Feind im Inneren zu tun. Er kämpft mit einer Krebs-erkrankung, ist seit dem Jahr 2006 schwerbehindert und lebt von nun an von einer Erwerbsunfähigkeitsrente.

 

Eingeschränkt, aber aktiv

 

Sein Leben ändert sich, aber die Füße hält er trotzdem nicht still. „Ich war von Anfang an im Quartiersrat am Richardplatz Süd aktiv, meist in einer Sprecherfunktion“, beschreibt er diesen Lebensabschnitt. Seine Themen bleiben: Kinder und Jugend, Schule und Bildung, Kultur, Stadtplanung und Verkehr, wenngleich sich aufgrund der Mietsituation eines in den letzten Jahren besonders hervortut, die Mitarbeit im Bündnis für Bezahlbare Mieten. „Wir sind die Ersten gewesen, die für die Einrichtung von Milieuschutzgebieten in Nord-Neukölln gekämpft haben und das immer wieder auf die bezirkspolitische Tagesordnung gebracht haben.“

Er regt sich weiter über die Rahmengeschäftsordnung für die Arbeit der Quartiersräte auf, kann sich über diverse Verkehrsteilnehmer*innen wundern, aber eines ist er sicherlich nicht: Altersmilde.

„Nee, im Gegenteil, seit meiner Krankheit bin ich vielleicht manchmal noch zugespitzter und natürlich möchte ich diese Themen auch weiterbearbeiten“, beantwortet er die Frage nach einem Rückzug von seinen Ehrenämtern.

Dennoch, manchmal kam man ihn durchaus ruhig in der Ausübung seiner neuesten Leidenschaft beobachten, die Fotografie hat es ihm angetan. Er mag es, neue Blickwinkel von seinem Neukölln bildhaft festzuhalten. Zwei Preise hat er schon gewonnen und trotz Tarnkleidung, wirklich ruhig und unerkannt werden will er nicht: „Ich kann nicht anders!“, für die Neuköllner heißt das, da mischt einer weiter mit.